Hinweis: Führungen mit kulinarischem Angebot: nach tel. Rücksprache!

Für viele Schneeberger Einwohner wurde es nach dem 2. Weltkrieg und der Währungsreform im Jahr 1948, bei einem Grundbesitz von teilweise nur ein bis zwei Hektar immer schwerer, ihren Lebensunterhalt aus der Landwirtschaft zu bestreiten. Es wurde daher in Erwägung gezogen das Einkommen durch den Anbau von Sonderkulturen, wie z.B. dem Tabakanbau zu verbessern. In den Nachbargemeinden Hettigenbeuern (Bad.-Württembg.) und soweit bekannt, auch in Bürgstadt wurde bereits Tabak angebaut.

In Schneeberg wurde mit dem Tabakanbau anfangs der vierziger Jahre (1952 / 1953) begonnen. Hierfür war eine Genehmigung erforderlich. Diese wurde dann für den Anbau der Tabaksorte „Havanna“ erteilt. Die Sorte „Havanna“ wurde für die Herstellung von Zigarren verwendet. Sie war anspruchsvoller als die Sorten für Zigarettentabak und wurde auch besser bezahlt. (In Hettigenbeuern wurde Tabak für Zigaretten angebaut). 1955 gab es in Schneeberg über 70 Rindviehhalter. Viele von ihnen haben damals auch Tabak angebaut. Geschätzt gab es damals 30 bis 40 Tabakanbauer.

Der Samen einer ausgesuchten Sorte wurde im Frühjahr in einem Mistbeet aufgezogen und die kleinen Pflänzchen im Mai, nach den Eisheiligen, (15. Mai) auf den Acker gepflanzt. Die Tabakblätter hatten verschiedene Namen und wurden in gewissen Zeitabständen nach entsprechender Reife vom Sommer bis zum Herbst geerntet.

Es begann mit den „Krumbern“, die teilweise nicht als „Girlande“ aufgefädelt, sondern lose getrocknet. wurden. Der Verkaufspreis war in Gegenüberstellung der aufwendigen Arbeit sehr gering. Anschließend wurde das „Sandblatt“ geerntet. Dieses war das wertvollste Blatt und wurde besonders als Deckblatt bei der Zigarrenherstellung verwendet. Nach dem „Sandblatt“ wurde das „Mittelgut“ und dann das „Hauptgut“ vom Feld geholt. Dann wurden die Blüten der Tabakstauden, die bis über 2 Meter hoch werden konnten abgeschnitten. Zuletzt wurde das „Obergut“, das auch weniger wertvoll war geerntet.

Die geernteten Tabakblätter wurden in mühseliger Handarbeit mit einer Nadel, zirka 25 cm lang, 5 mm breit und 2 mm dick, an einer Seite spitz und am Ende mit Öse für die Auffädelschnur versehen zu einer „Girlande“ aneinandergereiht. Die Länge der Schnur, die an beiden Enden eine Schlaufe bekam, entsprach den vorhandenen Abständen der Stangen, bzw. Latten, die sich in der Regel in Scheunen, Speichern bzw. überdachten und luftigen Gebäudeteilen befanden.

Tabakhalle
Die Tabakhallen in der Schneeberger Vereinsstraße
Tabakauffädeln
Frauen beim Tabakauffädeln anlässlich der 750-Jahr Feier

Der Einfädelvorgang war eine mühselige Beschäftigung. Beim Durchstechen der stabilen Blattrippe im oberen Bereich trat eine geringe Flüssigkeit aus. Es folgte eine Benetzung der Nadel und natürlich auch der Finger. Durch diese Benetzung der Finger entstand auf der Haut eine schwarze klebrige Masse, die nur sehr schwer wieder mit Seife und Bürste zu entfernen war (Teer und Nikotin).

Die „Blattgirlanden“ wurden in vorgegebene Haltenägel eingehängt und aneinandergereiht. Hierfür wurde jeder freie und luftige Platz in den jeweiligen Anwesen dazu genutzt. An langen Nagelreihen wurden die aufgefädelten "Tabakgirlanden" in das Gebälk von Scheunen, Hallen und auch Kelterhäusern aufgehängt.

Es wurden sogar spezielle Tabakhallen gebaut. Gut sichtbar befinden sich in Schneeberg, in der Vereinsstraße mehrere Tabakscheunen aus der damaligen Zeit. Besonderes Merkmal dieser hohen Hallen sind die großflächigen, lamellenartigen Lüftungsbretter an den Seitenwänden der Scheunen.

Bei der Ernte und beim Einfädeln musste mit den Blättern sorgfältig umgegangen werden, damit in den relativ schweren Blättern keine Risse und Löcher entstanden. Auch durch Hagelschlag wurden die Tabakstauden schwer beschädigt. Die Blätter bekamen Löcher und die Qualität wurde dadurch erheblich gemindert. Der Abschluss einer Hagelversicherung war zwar möglich, jedoch für die meisten Anbauer zu teuer.

Sobald die „Girlanden-Blätter“ getrocknet waren, wurden diese abgenommen und zu Bündeln mit einer speziellen Vorrichtung aus Holz gepresst. Die eckigen Bündel waren vorne an der Hauptrippenseite zirka 15 x 15 Zentimeter stark.

Aufhängen der Tabakbündel
Aufhängen der Tabakbündel zum Trocknen
Trocknungsprozess
Trocknungsprozess der in den Tabakhallen

Soweit bekannt, wurde der Tabak im Raum Nürnberg / Schwabach und Karlsruhe zum Verkauf angeboten, bzw. versteigert. Vertreter der Interessengemeinschaft fuhren mit Probebündeln der Anbauer dort hin. Die Firma, die den Tabak aufkaufte kam dann mit einem LKW nach Schneeberg und holte die Tabakbündel ab.

Die Schneeberger Anbauer waren dabei oft enttäuscht, weil bei der Abholung mit den sorgfältig vorbereiteten Tabakbündeln sehr grob umgegangen wurde. Bevor die Bündel auf den LKW geworfen wurden und dort oben „festgetreten“ wurden, fand nochmal eine Begutachtung durch die Fachleute statt, die offensichtlich das Ziel hatte, den Preis nach unten zu drücken.

Ende der 1950iger Jahre ging der Tabakanbau stark zurück und wurde schließlich zirka 1959 eingestellt. Durch die Einfuhr von Tabak aus dem Ausland und besonders auch durch Auftreten der Blauschimmel-Krankheit sank der Preis erheblich und der Anbau wurde unrentabel.


Folgende Schneeberger Familien waren Tabakanbauer

  Josef Dumbacher
  Leonard Hörst
  Konrad Melcher
  Otmar Reichert
  Hörst Alfred
  Speth Otto
  Loster Rudolf
  Höhn Ludwig
  Otto Berberich
  Bäuerlein Josef
  Breunig Hermann
  Erbacher Franz
  Maag Franz
  Berberich Eugen
  Winkler Ferdinand
  Sartorius Josef
  Bäuerlein Herrmann
  Reichert Franz
  Weingärtner Fritz
  Berberich Kornel
  Eck Erwin
  Ort Josef

(Keine Garantie auf Vollständigkeit)
  • Autor: Ewald Winkler, Geopark-Vor-Ort-Begleiter, Schneeberg
  • Quelle: Raimund Loster, Kornelia Reinhart, Aloisia Trunk
  • Foto: Joachim Kaufmann / Karl-Heinz Pföhler
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